Kapitalkosten – Den Preis des Geldes verstehen

Startups bewegen sich in einem dynamischen Umfeld, in dem Innovation, Geschwindigkeit und Kapitalengpässe oft Hand in Hand gehen. Der gezielte und effiziente Einsatz von Kapital entscheidet darüber, wie schnell ein Unternehmen wachsen, auf Marktveränderungen reagieren oder neue Produkte launchen kann. Dabei sind Kapitalkosten mehr als eine Kennzahl in der Finanzplanung, sie sind auch ein zentrales Steuerungsinstrument für unternehmerische Entscheidungen.

Wer seine Kapitalkosten versteht und sogar aktiv steuert, verschafft sich einen echten Wettbewerbsvorteil durch klügere Investitionen, höhere Effizienz und eine klare Finanzstrategie. In diesem Beitrag zeigen wir, was hinter dem Begriff steckt, wie Kapitalkosten berechnet werden und welche Stellschrauben als Gründer:in zur Optimierung genutzt werden können.

Bestandteile von Kapitalkosten

Kapitalkosten bezeichnen den Mindestgewinn, den ein Unternehmen erzielen muss, um die Finanzierungskosten zu decken. Die Kapitalkosten beziehen sich also auf die Aufwendungen, die ein Unternehmen für die Beschaffung von Kapital trägt und setzen sich aus den Kosten für Eigenkapital und Fremdkapital zusammen.​

Eigenkapitalkosten sind Opportunitätskosten und entstehen durch die erwartete Rendite, die Investoren für die bereitgestellten Mittel verlangen. Sie spiegeln die Entschädigung wider, die für ein derartiges Investment und das damit verbundene Risiko verlangt wird.

Fremdkapitalkosten sind reale/tatsächliche Kosten wie Zinsen, die für Kredite und Darlehen gezahlt werden.

Berechnung der Kapitalkosten

Eine gängige Methode zur Ermittlung der durchschnittlichen Kapitalkosten ist der Weighted Average Cost of Capital (WACC). Diese Kennzahl gewichtet die Kosten von Eigen- und Fremdkapital entsprechend ihrem Anteil am Gesamtkapital. 

Die Formel lautet:​  WACC = (E / K) * re + (D / K) * rd * (1 – s)

Dabei gilt:​ E= Eigenkapital; D = Fremdkapital; K = Gesamtkapital (E + D);
re = Eigenkapitalkostensatz​ (Erwartete Eigenkapitalrendite); rd = Fremdkapitalkostensatz; s = Steuersatz​

Der WACC dient als Benchmark für Investitionen, denn wenn der erwartete Gewinn über den Kapitalkosten liegt, lohnt sich das Vorhaben wirtschaftlich. Laut KPMG lag der durchschnittliche WACC 2024 in Deutschland branchenübergreifend bei 8,3 % – ein relevanter Vergleichswert, besonders für Gründer:innen.

Eigen- oder Fremdkapital – was ist die bessere Wahl?

Die Wahl zwischen Eigen- und Fremdkapital zählt zu den zentralen strategischen Entscheidungen eines Unternehmens. Dabei spielen nicht nur die reinen Kapitalkosten eine Rolle, sondern auch zahlreiche qualitative Faktoren wie das Geschäftsmodell, die Phase des Unternehmens, das Investitionsrisiko und die Planbarkeit der Rückzahlung. Eine Betrachtung und Entscheidung anhand der Kapitalkosten als alleiniges Kriterium greifen jedoch zu kurz.

In der frühen Phase eines Startups ist Eigenkapital meist die sinnvollere Finanzierungsform. Das liegt daran, dass das Geschäftsmodell häufig noch nicht vollständig validiert ist, Einnahmen unsicher sind und die weitere Entwicklung mit hoher Unvorhersehbarkeit verbunden ist. Eigenkapitalgeber tragen dieses Risiko mit. Sie erwarten keine Rückzahlung, sondern setzen auf eine langfristige Beteiligung am zukünftigen Erfolg. Zwar bedeutet das auch, dass Unternehmensanteile und damit Mitspracherechte abgegeben werden müssen, dafür steht das Kapital aber meist unbegrenzt zur Verfügung.

Fremdkapital hingegen setzt ein gewisses Maß an Reife und Stabilität voraus. Regelmäßige, gut planbare Einnahmen bilden eine wichtige Voraussetzung. Bei klar definierten Wachstumszielen oder konkreten, planbaren Investitionen wie etwa Expansionen, Marketingkampagnen oder dem Kauf von Maschinen kann Fremdkapital eine effiziente Lösung sein. Es ermöglicht die Finanzierung ohne weitere Verwässerung der Unternehmensanteile. Allerdings ist es meist zeitlich begrenzt, mit laufenden Zinszahlungen verbunden und kann Kündigungsrechte seitens der Kapitalgeber mit sich bringen, was das Unternehmen bei Rückzahlungsschwierigkeiten unter Druck setzen kann.

Grundsätzlich sollte das Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital ausgewogen sein. Eigenkapital eignet sich besonders für risikoreiche, langfristige oder schwer planbare Vorhaben wie Forschung und Entwicklung oder Softwareentwicklung. Fremdkapital wird dagegen vorzugsweise für Investitionen mit absehbarem Ertrag und Rückzahlungsfähigkeit verwendet. Die Wahl der passenden Finanzierungsform sollte sich daher nicht nur am aktuellen Kapitalbedarf orientieren, sondern auch an der Planbarkeit des Vorhabens, dem unternehmerischen Reifegrad sowie an weichen Faktoren wie dem Ruf des Investors, der Möglichkeit weiterer Folgeinvestitionen und der inhaltlichen Überzeugung für das Geschäftsmodell.

Kapitalkosten als Bestandteil der Finanzstrategie

Kapitalkosten sind nicht nur ein Rechenwert. Sie sind ein zentrales Instrument zur Bewertung von Investitionen und strategischen Entscheidungen, indem der finanzielle Nutzen von Vorhaben bewertet und laufende Projekte anhand der Kosten analysiert werden 

Sie bilden den Referenzpunkt für den Return on Investment (ROI). Investitionen, die eine höhere Rendite erwirtschaften als die Kapitalkosten, schaffen einen Wert für das Unternehmen. Der WACC kann als Hürde definiert werden, um wirtschaftlich sinnvolle Projekte zu identifizieren. Sobald der erwartete ROI über dem WACC liegt, wird die Investition als sinnvoll eingestuft (value creation). 

Ein professionelles und strategisches Kapitalmanagement bedeutet, Ressourcen gezielt in jene Geschäftsbereiche zu lenken, die relativ zu den Kapitalkosten überdurchschnittliche Renditen erzielen. Das gilt für interne Projekte genauso wie für M&A-Aktivitäten, Markteintritte oder Produkterweiterungen. Kapitalkosten helfen, diese Entscheidungen objektiv zu bewerten. 

Strategien zur Senkung der Kapitalkosten

Um Kapitalkosten zu minimieren und die Effizienz zu steigern, können Unternehmen folgende Ansätze in Betracht ziehen:​

  • Kapitalbedarf präzise planen: Die Aufnahme von Kapital sollte in der Höhe dem tatsächlich benötigten Bedarf entsprechen und sowohl rechtzeitig aufgenommen werden, als auch nicht zu lange ungenutzt bleiben. 

    -> Eine gute und zeitgerechte vorbereitete Finanzierungsrunde sowie das Nutzen von flexiblen, revolvierenden Finanzierungsmodellen sind hilfreich.
  • Kapitalstruktur optimieren: Ein ausgewogenes Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital kann die durchschnittlichen Kapitalkosten senken. Dabei sollten unbedingt die spezifischen Risiken und Kosten jeder Finanzierungsquelle berücksichtigt werden.​ 

    -> In Niedrigzinsphasen kann zusätzliche Aufnahme von Fremdkapital sinnvoll sein, sofern dies zur Risikostruktur passt und die Kapitalbasis durch die monatlichen Zinsbelastungen nicht zu stark belastet.
  • Konditionen verhandeln: Günstigere Zinsen und flexiblere Rückzahlungsbedingungen reduzieren die tatsächlichen Finanzierungskosten.

    -> Eine überzeugende Vision, starke KPIs und ein durchdachter und qualitativ hochwertiger Finanzplan erhöhen die Verhandlungsmacht.
  • Bonität verbessern: Die Risikozuschläge von Kapitalgebern lassen sich durch eine gute Bonität senken.

    -> Eine saubere Buchhaltung, die ein realistisches Bild der aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse darstellt, ist ebenso wichtig wie eine transparente Kommunikation und saubere Reportings. 

  • Beziehungen intensivieren: Vertrauensvolle Beziehungen auf Augenhöhe senken das wahrgenommene Risiko und schaffen eine solide Basis für eine jahrelange angenehme Partnerschaft. 

    -> Der Aufbau von Beziehungen zu unterschiedlichen Investoren und Kapitalgeber kann bereits frühzeitig erfolgen, sodass die Beziehung bereits über Monate und Jahre wachsen kann, bevor eine Zusammenarbeit besteht. 

Wachstumsorientierte Unternehmen profitieren davon, den WACC regelmäßig zu überwachen und gezielt zu optimieren. Je niedriger die Kapitalkosten, desto mehr Projekte sind wirtschaftlich sinnvoll und desto größer wird der unternehmerische Spielraum.

Warum ungenutztes Kapital teuer werden kann

Es ist völlig normal, dass nach einer Finanzierungsrunde nicht jeder Euro sofort eingesetzt wird. Kapital, das vorübergehend auf seinen Einsatz wartet, gehört zur strategischen Finanzplanung. Vor allem, wenn wichtige Ausgaben anstehen oder Wachstumsschritte vorbereitet werden. Eine Cash-Runway von 6 bis 8 Monaten gilt dabei als sinnvoller Richtwert, um auch in unsicheren Zeiten handlungsfähig zu bleiben.

Problematisch wird es jedoch, wenn das Kapital dauerhaft ungenutzt bleibt. Denn Geld, das lediglich auf dem Konto liegt, wird in den seltensten Fällen rentabel geparkt. Selbst wenn geringe Zinseinnahmen erzielt werden, liegen diese häufig deutlich unter den tatsächlichen Kapitalkosten und somit unter dem, was Investoren an Renditeerwartung oder Kreditgeber an Zinsen verlangen. In Zeiten von Negativzinsen oder Inflation entstehen sogar reale Kosten für das Parken.

Die Lösung liegt in einer vorausschauenden Kapitalbedarfsplanung: Finanzierungsmittel sollten zum richtigen Zeitpunkt in der richtigen Höhe verfügbar sein und weder zu knapp bemessen noch zu viel im Überschuss sein. So wird sichergestellt, dass Kapital zielgerichtet eingesetzt werden kann, statt ungenutzt Kosten zu verursachen.

Fazit: Kapitalkosten sind ein wichtiges Steuerungselement

Ein fundiertes Verständnis der Kapitalkosten und deren aktive Steuerung sind essentiell für den unternehmerischen Erfolg. Besonders in kapitalintensiven oder wachstumsstarken Phasen. Startups und wachstumsorientierte Unternehmen, die ihre Kapitalkosten kennen, messen und aktiv managen, schaffen die Grundlage für eine nachhaltige Kapitalallokation und werthaltige Entscheidungen.

Wer die richtigen Finanzierungsinstrumente kombiniert, ein ausgewogenes und auf die individuellen Bedürfnisse ausgerichtetes Verhältnis von Eigen- und Fremdkapital schafft, Kapital nur bei Bedarf aufnimmt und seine Kapitalstruktur regelmäßig hinterfragt, senkt nicht nur seine Finanzierungskosten sondern erhöht auch seine unternehmerische Beweglichkeit. 

Kapitalkosten sind nicht nur ein theoretisches Konstrukt, sondern ein operatives Werkzeug: Sie helfen, Investitionen zu priorisieren, strategische Risiken zu bewerten und Wachstumsoptionen realistisch einzuschätzen. Der gezielte Mix aus Eigen- und Fremdkapital, abgestimmt auf die jeweilige Unternehmensphase und Risikolage, ist dabei allerdings ebenso entscheidend wie ein Blick auf den eigenen WACC. 

Je besser Unternehmen diesen Mechanismus und das Zusammenspiel beherrschen, desto gezielter können sie Kapital einsetzen und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit, Profitabilität und ihren Unternehmenswert steigern.